Textliste deutsch | textlist german

{Titelanimation} MBC-FILMPRODUKTION
{Titel} zeigt
{Titel} einen Film
{Titel} von einem Filmemacher


{Titel} (Vorfilm)
{Titel} Selbstportrait mit Kronleuchter

Erzähler (MB): {off}
Dies ist die Notaufnahme des Immanuel-Kant-Krankenhauses in Berlin-Neukölln. Es ist kurz vor Mitternacht.


{Titeleinblendung} Immanuel-Kant-Krankenhaus, / Berlin-Neukölln, 23:52 Uhr

Erzähler (MB): {off}
Ein Patient ist gerade eingeliefert worden. Ein gewöhnlicher Fall, - für die Ärzte ein Fall wie andere auch. Aber die Polizei ist eingeschaltet und ein Heer von Detektiven und Reportern ist auf den Beinen.

OP-Schwester: Halt, für Sie ist hier Schluß. - Bitte keine Fotos, keine Bilder. - Halt! Nein.

Erzähler (MB): {off}
In einem berliner Filmstudio ist eine Katastrophe passiert. Sicher werden Sie in der morgigen Zeitung darüber lesen. - Radio und Fernsehen werden davon berichten. Denn Radio und Fernsehen, die Medien selbst sind in diesen Fall verwickelt.


{Titel} E.K.G. EXPOSITUS
{Titel} das Selbstportrait eines Filmemachers in öffentlichen und künstlerischen Medien

Arzt: {off} Ne, so hat das keinen Sinn.

Arzt: Nochmal festhalten bitte, und einmal Dormikum 5ml - nochmal nachlegen..


{Titeleinblendung} Immanuel-Kant-Krankenhaus, / Berlin-Neukölln, 23:54 Uhr (+23:55 Uhr)

Erzähler (MB): {off}
In einem berliner Filmstudio ist eine Katastrophe passiert. - Radio und Fernsehen werden davon berichten. Denn - Radio und Fernsehen, die Medien selbst sind in diesen Fall verwickelt.

OP-Schwester: Tut mir leid, meine Damen und Herren, Sie dürfen hier nicht filmen. Bitte gehen Sie. - Nein. - Tut mir leid. Bitte gehen Sie. - Keine Fotos, keine Bilder. - Nein. - Es tut mir leid, nein das geht nicht.

Erzähler (MB): {off}
Bevor aber alles durch die Zeitungsschreiber aufgebauscht, verzerrt und verdreht wird, könnte ich mir vorstellen, daß Sie lieber den wahren Sachverhalt direkt kennenlernen wollen. - Auf dem OP-Tisch dieser Notaufnahme liegt ein junger Mann. Mit einer leichten Hirnblutung und schweren, inneren Verletzungen. - Keine bedeutende Persönlichkeit. Nur ein kleiner Filmemacher, der ein paar experimentelle Filme und ein paar zweitklassige Drehbücher gemacht hatte. - Der arme Phantast. - Er hatte sich immer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewünscht und als er sie endlich bekam, mußte er sie mit einem hohen Preis bezahlen.



Erzähler (MB): {off}
Drehen wir das Rad der Zeit um sechs Monate zurück, bis zu dem Tag, wo es begann. - Ich bewohnte ein möbliertes Zimmer im Zentrum der Stadt, und es ging mir nicht gerade gut. Ich hatte mit einem kleinen Exposé eine ziemlich große Filmförderung bekommen, wußte aber noch überhaupt nicht, wie ich mit dem Film anfangen sollte. - So saß ich da und quälte mich ab, originelle Anfänge zu erfinden.

Erzähler (MB): {off}
Aber es wollte mir nichts gelingen. Entweder waren die Anfänge nicht originell genug oder vielleicht auch zu originell.

MB: Ja, hallo?

Telfonistin: Der Westdeutsche Rundfunk, guten Tag. Moment, ich verbinde weiter.

TL: Hallo.

MB: Ja, Brynntrup hier, schön'n guten Tag.

TL: Ja, guten Tag, hier ist der Tim Lienhardt. Ich bin ein Fernsehjournalist aus Köln und ich kenne... kenn' deine Filme. Ich hab' ein paar davon gesehen, auf der Berlinale in den letzten Jahren, äh bin davon sehr beeindruckt und neugierig, dich kennenzulernen, um über dich ein Portrait zu machen für ein Kulturmagazin im WDR.

MB: Ah ja, - für's Fernsehen, ja?

TL: Für's Fernsehen ja. Es ist WDR Fernsehen in Köln, und da arbeite ich für und würde eben gerne ein Portrait über dich machen.

MB: Mhm, hört sich ja gut an. ähem. - Und wwwie soll das genau laufen?

TL: Ja, erstmal die Frage: Gab's denn schon Portraits über dich? Weil ich mach' natürlich ungern etwas, was es schon mehrfach gegeben hat.

MB: Nee, also gab's - gab's noch nicht.

TL: Hat noch keiner was über Dich gemacht.

MB: Nee-e

TL: Aha. Ist doch gut.

TL: Ja, ähm, wie das laufen soll. Ich würde sagen, ich komm dann einfach zu dir nach Berlin mit einem Team. ... irgendwo. Denke mal, daß du ... bei Dir zuhause in der Wohnung, ist mir eigentlich egal.

MB: Das ist gut, hier bei mir in der Wohnung, mhm.

TL: Und äh, ja und dann bauen wir uns da auf, sozusagen, stelln wir's Stativ auf, die Kamera drauf, ich setz mich daneben und werde dich dann interviewen.

MB: Ja, gut. ähm

TL: Das könn' wir machen?

MB: Könn' wir machen, ja.

TL: Ja, dann würd' ich sagen, ich melde mich nochmal. Ich bin öfter in Berlin.

MB: Okay. Wann soll denn das stattfinden?

TL: Jaaa, Also von mir aus sobald es geht.

MB: Ehem, gut, und wir hörn nochmal voneinander.

TL: Das wär toll.

MB: Alles klar. Ja, ich freu' mich.

TL: Okay, ich mich auch.

MB: Okay, tschüß.

TL: Ja, tschüssi.

Erzähler (MB): {off}
In diesem Moment hatte ich die Idee, wie mein Film anfangen sollte. Sie war vielleicht nicht die originellste Idee, aber auf jeden Fall gut genug, um damit - anzufangen.


{02}================================================================


Tagebuch, eins, die erste
So, oder so ähnlich könnte dieser Film beginnen:
Ich setze mich an meinen Schreibtisch, - so.
Vor mir stehen meine vier Tagebücher.
Ich nehme JETZT...


{Titel} JETZT

...JETZT das aktuelle,
und lege es hier hin.
Dann schlage ich es auf, -so,
und schreibe hinein.

Das ist mein Tagebuch.
Das ist meine Hand.
und das ist die Uhr,
es ist jetzt -äh-

Dies ist die Uhr,
es ist jetzt ungefähr halb neun,
ungefähr jedenfalls.
Und -äh- hier sind die kleinen Bilder.

So, und nach zwei Bildern kommt dann der
{Textmotiv} TITEL.
So!

So, jetzt.


{Titel} TABU V

Gut.

{Textmotiv} SEHR GIFTIG


{Titel} DU SOLLST NICHT TÖTEN

Aua, 14:40
Der Narkosearzt war gerade hier und hat mich aufgeklärt,...


{Titel} MEIN 5. TAGEBUCH

...normal essen, trinken bis neun Uhr, mit dem letzten Schluck die Pille,...

Beim nächsten Ton ist es:


{Titel} JETZT: 1989

...morgen früh -oh, Scheiße, hab' ich gerad herausgestöhnt- Infusion, Spritze in den Po, Vollnarkose im OP. - Ich muß schwer atmen, ich muß gähnen. Ich hab' Angst vor der Operation, vor dem, was ich erlebe. Ich hoffe nur, daß ich das überhaupt überlebe. ...

{Textmotiv} LA MORT

...Ein Gott, Vertrauen auf einen Gott, könnte mir jetzt helfen. Allmächtiger!...

{Textmotiv} THE SKULL

...Das ist gar nicht so ironisch gemeint, wie es klingen könnte.


{Titel} LEHRMITTELSAMMLUNG ULM
{Titel} HYGIENEMUSEUM DRESDEN
{Titel} KZ SACHSENHAUSEN
{Titel} DREHARBEITEN ZU »KAIN UND ABEL«

{Textmotiv} HAND

Gerade mal ein bißchen mein Liebesleben geordnet - was immer das heißen mag.

Das Alphabet:
24 Buchstaben
in der Sekunde.
Ende.

Und hier wieder eine Statistik in Beziehungsdingen: angefertigt in der klaren Hoffnung einer zyklischen Wiederkehr und in der datierten Erwartung eines neuen Mannes.

Eine Sexstatistik werde ich auch noch anlegen.

{Textmotiv} TATTOO

Beim nächsten Ton ist es:


{Titel} DIE STATIK DER ESELSBRÜCKEN

- eine optische Enttäuschung.

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft,...

{Textmotiv} ISS DOCH WENIGSTENS DAS FLEISCH AUF

...Von der Unmöglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Dasein Gottes:
Man kann sich des Gedanken nicht erwehren, man kann ihn aber auch nicht ertragen [peep]: daß ein Wesen, welches wir uns auch als das höchste unter allen möglichen vorstellen,...
{...gleichsam zu sich selbst sage: Ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit, außer mir ist nichts, ohne das, was bloß durch meinen Willen etwas ist;
a b e r   w o h e r   b i n   i c h ?}

{Beim nächsten Ton ist es:}

Ich hadere mit Gott - einerseits,...
{...andererseits habe ich mein unerschütterliches Gottvertrauen.}

Ich versuche dem Stoff um Kain und Abel eine Interpretation abzugewinnen...
{...die den Film (jetzt = nachträglich) notwendig / logisch erscheinen läßt.}
Ursprünglich ausgegangen bin ich von der Überlegung / von dem Zweifel: ist Gott wirklich gut? Diese Frage zu beantworten, steht mir der Sinn!
{"Meine Religion hat nichts mit Glauben zu tun, sondern mit Wissen: ich weiß, daß es etwas gibt, daß wir mit unserem Wissen / unserem Verstand und auch mit unserer Vernunft nicht erfassen können,...}
...ich weiß, daß unser Wissen begrenzt ist...
{...und darüberhinaus weiß ich nichts."}

G o t t   i s t   e i n   P l a c e b o,
a l l e i n   d e r   G l a u b e   d a r a n  -   h i l f t.


{Titel} »KAIN UND ABEL«
{Titel} DAS OPFER
{Titel} DAS ALTE TESTAMENT (eine Moritat)


{03a}================================================================



{Titel} einige Zeit später

MB:
Das Fernsehen kommt heute zu mir in die Wohnung,
und macht zum ersten Mal einen Beitrag über mich für's Deutsche Fernsehen.
Ich muß sagen: ich bin schon ziemlich nervös und aufgeregt
und hab' auch Kopfschmerzen...
Aber eins ist klar:
Wenn die mich filmen, dann film' ich die auch!


{Titel} Wenn das Fernsehen mich filmt, dann filme ich das Fernsehen!

MB: Hallo, guten Tag! Zwei Kameras laufen, ja?

TVT: Darf ich in die Kamera gucken oder nicht?

MB: Oh, das ist eine große Kamera!

MB: Geht da mal rein. - Ich denk, wir machen's da.

TL: ...alles wird gleich von Anfang an aufgezeichnet.

MB: Jaja, ok. Wunderbar. - Also alles hier ein bißchen beengt, aber...


{Titel} Das Fernsehteam besucht den Filmemacher in seiner Wohnung.

MB: ...das kriegen wir schon hin, ne!?

TVT: Das kriegen wir schon hin!

MB: Ok, super!


Erzähler (TL): {off}
Der Filmemacher bewohnte ein möbliertes Zimmer im Zentrum der Stadt, und quälte sich damit ab, originelle Anfänge zu erfinden.

Erzähler (TL): {off}
Der arme Phantast. - Er hatte sich immer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewünscht und als er sie endlich bekam, mußte er sie mit einem hohen Preis bezahlen.

MB: Jungs, der Kaffee ist fertig.

TL: Oh, das ist ja toll. Wir sind auch schon fertig.

MB: Ehecht?

TL: {off} Also von uns aus können wir gleich loslegen.

MB: Ja, meinetwegen. - Sitz' ich gut?

TVT: {off} Ja, doch. Das ist gut. MB: Ok. - Läuft die schon?

TL: {off} Läuft die Kamera?

TVT: {off} Die läuft schon, ja.

TL: {off} Gut, dann können wir anfangen.

MB: ok.

TL: Michael, vielleicht zum Anfang 'nen kurzen Steckbrief. Geboren, Ausbildung, daß wir kurz wissen: Wer ist dieser Michael Brynntrup, rein biographisch.

MB: Anfangen, oh Gott, oh Gott. Immer dieses Anfangen. Also, -äh, - wo fängt man an?

TL: {off} Bei der Geburt.

MB: Bei der Geburt. - Geboren 1959 - vor immerhin schon 37 Jahren. Und -ähm- ...

MB: ...und dann ist das eigentlich so, hat sich das so entwickelt, daß ich dann einfach Filmemacher schließlich und endlich geworden bin.


{03b}================================================================


TV-Sprecher (TL): Ob Kostümfilm oder Videoclip, Michael Brynntrup geht es in seinen über 50 Filmen immer auch um die Kraft der Bilder, im Erfassen, Festhalten. Er hat mit Weltstars gedreht wie Udo Kier zum Beispiel.

O-Filmton: "Entschuldigung - Guten Tag!"

TV-Sprecher (TL): Wie darstellbar ist die Wirklichkeit? Welche Grenzen setzen Moral und Medien. Fragen mit denen sich Michael Brynntrup in all seinen Filmen auseinandersetzt. - Experimentierende Spiegelbilder eines narzißtischen Künstlers, der sich als Selbstdarsteller inszeniert. Für die anderen, die in ihm sich selbst erkennen sollen.

MB: So privat meine Filme oft auch erscheinen, es ist ja ein öffentliches Medium. Und die sind in die Öffentlichkeit gestellt und da gibt es die Reaktionen, die will ich ja auch provozieren zum Teil, also zumindest will ich ja die Auseinandersetzung anregen.

O-Filmton: "Der Lebenslauf! - Ich heiße Michael Brynntrup und bin am siebten-zwoten-1959 geboren worden. Tod des eineiigen Zwillingsbruders bei der Geburt. Meine Eltern leben im katholischen Münster/Westfalen."


TL: Es ist ja eine sehr priviligierte Situation, die Du da hast, Dich mit Dir selbst auseinanderzusetzen. Dich um Dich selbst drehen zu können.

MB: Priviligiert!?

TL: {off} Oder empfindest Du das nicht so, als priviligiert, als bevorzugt.

MB: mmmh ja, weil es einfach wirtschaftliche Hintergründe hat
{Tonüberblendung}
MB: Ne, also. Weil das was 'priviligiert' ist: sich mit sich selbst zu beschäftigen, das können, das kann jeder. Ich meine, man muß schon davon ausgehen, daß also die Geister, nicht nur die Geschmäcker, auch die Geister verschieden sind. Und dem einen liegt es halt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, andere wollen das gar nicht.
Also man muß auch davon ausgehen, daß einfach: biologisch die Leute verschieden sind, ne. So oder so, ne...


{Laufschrift} Das nun folgende, zweistündige Interview wurde vor der Sendung aufgezeichnet und für diesen Film nur unwesentlich gekürzt. Momentan sehen Sie die Minuten 54 bis 55.


...Und das, was mir als Naturzustand gegeben ist, daß ich jetzt vor allen Dingen viel denke, das empfinde ich nicht als Privileg. Daß ich das ausbilden konnte, daß ich Universitäten besucht habe oder so, das ist natürlich schon eine Art Privileg, ne.

TL: {off} Also, Du machst Dir schon Gedanken darüber, ob Du krank bist? - Hast du dir schonmal Gedanken gemacht über Wahnsinn?

MB: Ja, also da denk ich auch viel drüber nach, ob-ob-ob das jetzt alles noch wahnsinnig ist, aber solange ich drüber nachdenken kann, und solange ich denke, ist das... mir selbst die Frage stellen kann: Ist das Wahnsinn?!, ist das ja kein Wahnsinn, ne. Also Wahnsinn ist, wenn ich hier tobend durch die Gegend rennen würde, ja das wäre dann irgendwie Wahnsinn, ja? Aber ich bin ja eingefangen, behütet auch. Es ist möglich, meine Spinnereien umzusetzen, auch zu integrieren in die Gesellschaft. Ich habe auch den Bezug zur Gesellschaft, ne. Also auch mit meinen Arbeiten. Ich-ich -äh-äh- das is 'n Ping-pong
-Ping-pong-
MB: Ping-pong auch, das ist ja nicht nur in meiner Einsiedelei, wo ich was mache, sondern das ist ja... So privat meine Filme oft auch erscheinen oder so, ist es ja ein öffentliches Medium. Und die sind in die Öffentlichkeit gestellt und da gibt es die Reaktionen, die will ich ja auch provozieren zum Teil, also zumindest will ich ja die Auseinandersetzung anregen, ne.


TV-Sprecher (TL): Wie darstellbar ist die Wirklichkeit? Welche Grenzen setzen Moral und Medien. Fragen mit denen sich Michael Brynntrup in all seinen Filmen auseinandersetzt.

MB: Also für mich ist das immer eine Frage, daß man sich auch als Experimentalfimer entscheiden muß zwischen gesellschaftlich relevantem Film, also will man jetzt wirklich gesellschaftlich etwas ausdrücken, die Gesellschaft bewegen. Oder halt man macht so filmische Poesien. - Hörst du die Musik? Das ist ganz interessant, das ist der Gustav, oder wie er heißt, der kommt hier einmal im Monat vorbei.



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AIDE MÉMOIRE - ein schwules Gedächtnisprotokoll   (Text deutsch)
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{04a}================================================================


{Textmotiv} MICRO ON - SENDUNG

Moderator (KE): Radio Brandenburg, das Filmjournal. Der Mann, der mir jetzt gegenübersitzt, hat ein beachtliches Lebenswerk geschaffen, das sich allerdings in relativ kurzer Zeit überschauen läßt, was daran liegt, daß es zumeist sehr kurze Filme sind. Er ist einfach einer der wichtigsten deutschen Kurzfilmer. Herzlich willkommen, Michael Brynntrup...


{Titel} ACHTUNG: live

Moderator (KE): {off} Diese Filme, so eine Auswahl, ein Kurzfilmprogramm, ist zur Zeit zu sehen... {Ton-Abbl.}

Moderator (KE): Zu Gast bei uns im Filmjournal Michael Brynntrup. Sein neuer Film Aide Memoire wird auf der Berlinale laufen...

{Textmotiv} SENDUNG

Mod (KE): Dieser neue Film erzählt die Geschichte einer Beziehung von Ihnen zu einem Fotografen, Jürgen Baldiga. Er ist inzwischen an Aids gestorben. Ich wüßte erstmal ganz gern: Wie ist dieser Film entstanden? Offenbar wußte Jörg, Jürgen ja ganz genau, was auf ihn zukommt, und hat sich darauf eingelassen, diesen Film zu machen, um noch einmal von sich zu erzählen.

MB: Ja, also angefangen hat der Film eigentlich damit, daß wir so gewisse Themen, also die so um Tod, Sterblichkeit, Aids, Fotografie, Film so kreisten, daß wir die sowieso in Kneipen durchbehandelt haben... Und dann hatte ich meine Videokamera neu!, eine HI8-Kamera!, und mit der war ich ihn dann einfach mal besuchen, und dann habe ich ihn mal etwas gezielter, sagen wir mal, 'interviewt' so zu diesen Themen, also so. Im Grunde haben wir aber eigentlich Kaffee getrunken...

JB: Was mich nervt ist halt, weil guckmal, wenn ich Interviews gebe, gerade in den Medien, weil es gibt wenig Positive, Kranke, die so was machen. Und ich kann halt immer nur von mir erzählen. Und dann: erstens schneiden die sich das alles so zurecht, wie sie es gerne haben wollen. Meist ist das dann son Sensationsding: und hier haben wir wieder den Sterbenden oder den Kranken, und so. Und...


TV-Sprecherin: Ein Aidskranker zehn Tage vor seinem Tod fotografiert.

TV-Moderator (FM): Aids ist nach wie vor eine Krankheit, die Hoffnung kaum zuläßt...


{Titeleinblendung} SFB3 - Sendung vom 04.08.1992

TV-Moderator (FM): Für den Fotografen Jürgen Baldiga, selbst HIV-positiv, beherrschendes Thema seiner Arbeit. - Eine Ausstellung von ihm wird jetzt...

TV-Sprecherin: Der 32jährige Fotograf, selbst seit 8 Jahren HIV-positiv, versteht sich als Chronist des menschlichen Abfalls.

TV-Sprecherin: Ein Aidskranker zehn Tage vor seinem Tod fotografiert.

{Textmotiv} SENDUNG


MB: Ja, was mich sehr fasziniert hat an Jürgen Baldiga, war, daß er mit seiner Krankheit sehr offensiv umging, ne. Also er hat sein Schicksal in Kauf genommen, aber auch in die Hand genommen. Kann-man-sagen, beides. Er hat das Beste daraus gemacht, was man damit machen kann. Er hat den Tod -äh- nicht verdrängt, im Gegenteil, er hat ihn sich angeeignet, auch in spielerischer Form, ne. Er hat ihn zu seinem Fotomotiv gemacht. Er hat sich jetzt im Fall mit AIDS also dann sehr stark in der AIDS-Hilfe bzw. in der AIDS-Prävention aktiviert. Er hat wirklich ganz bewußt mit dem Tod gelebt, ne. Und das kann man, ne. Das hat mich im Grunde genommen an ihm fasziniert.

TL: {off} Wolltest du was lernen?

MB: Äh, vielleicht auch was lernen. Auf jeden Fall, er... das hat mich einfach auch sehr stark angesprochen, weil -ähm-, na jetzt bin ich leider...


{04b}================================================================


Kameramann: {off} Kamera läuft!

TTV-Reporterin: {off} (räusper)

MB: {off} action!


{Einblendung} TTV {Logo}

TTV-Reporterin: Hier sind wir wieder, live direkt aus dem Immanuel-Kant-Krankenhaus in Berlin Neukölln. TTV vor Ort!

TTV-Reporterin: Die Operation dauert nun mittlerweile über eine Stunde. Das das so ist, -so vermuten die hier anwesenden Journalisten- läßt sich letztendlich nur auf die Heftigkeit und Schwere der Verletzung zurückführen. - Die Pressestelle war jedenfalls vom Krankenhaus bisher zu keiner öffentlichen Stellungnahme bereit.


{Einblendung} TTV2 Vor Ort

TTV-Reporterin: Wir versuchen nun mit einem der leitenden Ärzte direkt ins Gespräch zu kommen.

MB: mhm

TL: {off} Und Scham? - Hast Du Scham? Kennst Du Scham?

MB: Ja, mhm. - Ich muß mal kurz was anmerken, -also- an dieser Stelle hat der Film sein dramaturgisches Loch. -äh- Ich unterbreche jetzt mal für wenige Minuten - melde mich aber sofort zurück, sobald der Film weitergeht.

MB: Ich fass' mich doch schön kurz, auch ja?

TL: {off} Nochmal zur Scham.

MB: Scham.

TL: {off} Ich denke schon, daß der Zuschauer aufgrund der Ausschnitte, die er jetzt von uns zu sehen bekommt, denkt: oh, das ist jetzt aber ganz schön schamlos und das auch bewundert vielleicht. Denke jetzt zum Beispiel an 'nen Ausschnitt wie in 'Statik der Eselsbrücken'. Da hast Du Dich gefilmt, schlafend mit auf- und abgehenden Erektionen, um's mal so zu nennen.

MB: Ja. Und das ist mir ganz klar, daß das Fernsehen natürlich gerade diese sensationsmäßigen Bilder rauspickt. Man muß schon sehen, daß solche Bilder in 'nem Zusammenhang von 'nem 20minütigem Film stehen, ja. Und mir ist es wirklich das Liebste, man zeigt diese Filme als Ganzes, ne. Ausschnitte lügen, ne.

TV-Sprecherin: {off} Lover in Badehose: Der Filmemacher Michael Brynntrup.

TV-Ansagerin: Der unabhängige Film hat ja für viele Fernsehzuschauer und Kinogänger manchmal so ein Geschmäckle von schwerverdaulicher Kost...


{Titeleinblendung} SAT.1 Regionalreport / Baden-Württemberg

TV-Ansagerin: ...oder sogar Schund. Aber diese kleinen Perlen der Leinwandkultur haben durchaus ihren Reiz und finden ein begeistertes Publikum.


{Titeleinblendung} Bericht: / Claus Hanischdörfer

Sprecher (CH): Zum ersten Mal flimmern in diesem Kino im neuen Stuttgarter Filmhaus die Perlen des unabhängigen Kinos über die Leinwand.

Sprecher (CH): Wieder bietet das Programm, wie jedes Jahr, einen Blick über die Grenzen der Kinokonventionen.

Sprecher (CH): Für Otto Normalzuschauer, der nur das alltägliche Pantoffelkino kennt, oft schwere Kost.

TTV-Reporterin: {off} {Ton-Einblende} daß die Operation ja erst eine Stunde dauert hier im Immanuel-Kant-Krankenhaus in Berlin-Neukölln. Können Sie schon weitere Erkenntnisse der Öffentlichkeit bekanntgeben? - Wie steht's um unseren Patienten?


{Titeleinblendung} Ausschnitt aus: / "E.K.G. EXPOSITUS"

Arzt: Nun -äh- wir sind natürlich noch bei den Untersuchungen, wir können noch keine genaueren Angaben machen. Aber, ich bin sicher, daß wir in ein/zwei Stunden Näheres sagen können.

TTV-Reporterin: Erst in ein/zwei Stunden...{Ton-Abblende}

Sprecher (CH): Außer den Filmen gibt es mehrere Vorträge und Medienkunstausstellungen. Im Künstlerhaus hängen Bilder von Michael Brynntrup. Er ist Maler, Filmemacher und Fotograf.


{Titeleinblendung} Michael Brynntrup / Multimedia-Künstler

MB: Jedes Medium hat so seine speziellen Möglichkeiten und Eigenarten und da ... also darum ... mag ich in vielen arbeiten ... in vielen Medien arbeiten, weil alles hat sein Spezielles ... Besonderes.

Sprecher (CH): Auch die neuen elektronischen Medien halten zum ersten Mal Einzug beim Filmwinter.

CH: Ok., erste Frage mal 'n bißchen zu dem Projekt, - Herzsofort.Setzung. Erklär' mal, was hat es auf sich?

MB: Ja, das ist, huh, wo anfangen. Ich hab erzählt: ich bin weitschweifig. Also, jetzt.

CH: Jaja, gut!

MB: Also. Ja, kurz gesagt, ich hatte 'n Polaroid mal gemacht von mir und hab' das übermalt, wie man das so macht, womöglich beim Telefonieren, - dann hab' ich das aufbereitet, fotokopiert. Und dann hab' ich die Idee bekommen, da - oder überhaupt bemerkt, daß ja so nach und nach Generationen entstehen.Und -äh-, ja und dann hab' ich gedacht, das mach' ich jetzt zur Kunst und hab' dann also angefangen, also verschiedene Generationen in verschiedenen Medien so herzustellen. - Sooo ist dann das hier entstanden.

MB: Sooo ist dann das hier entstanden.

TV-Ansagerin: Na, ist doch mal was anderes.



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HERZSOFORT.SETZUNG II (autogene Manipulationen)   (Text deutsch)
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{05}================================================================


MB:
So -äh- Ich bin heute überhaupt nicht aufgeregt und nervös. -äh- Und das Fernsehen kommt trotzdem heute schon wieder zu mir in die Wohnung. Ist das nicht Wahnsinn!? Joa. Eigentlich müßte es jetzt jeden Moment schellen. Joa, Joa. Diesmal ist es das Channel-4, joawoahl, from London. Schubidu. Da warte ich jetzt 'nen Moment, nech. Und dann filme ich die gleich, ehä.


MB: Hi! - First of all I film you!

TVT: This is nice. Hello, I'm Ann.

MB: You are Ann.

TVT: That is Doug.

TVT: How ya doinÕ. Iain.

MB: Me, Michael. - So, I have you all!

MB: ...bloody.

TVT: Things filmmakers hate. ThatÕs why people stay behind cameras... is they donÕt like being filmed in turn. Poo, poo.

MB: This is the 71st generation of a Polaroid I did before...

TVT: 71st ...!!?

MB: First I did a Polaroid, then I did a fotocopy of it. A Collage, and then... and then filmed it by super8, or filmed by video, and made a video print, and the video print scanned into the computer, and then... a computer print.

MB: ...at the end it's a definition. Let's say. That's it.

TVT: Can I ask you just to look at the camera again, please? - Great thank you.

MB: The next generation will be actually with digital video. Yeah I wanna do a portrait in front of this:

MB: ...and then I wanna go with this digital video into the computer directly and make another generation.

TVT: ...and then print that.

MB: yep.

TVT: hmm-yeah

MB: So it's going on and on, a never ending story.

TVT: hmm-yeah

MB: So, generation and generation and generation yeah.


TL: {off} Aber ist trotzdem sehr persönlich, narzißtisch, was bei Dir passiert. -hm- Das ständige Sich-um-sich-selbst-drehen, Mit-Dir-Selbst-Befassen, Auf-Dich-zu-Gucken - also das ist schon ein extremer Narzißmus

MB: Leonardo hat ja auch noch was anderes Schönes gesagt: Ein Maler malt im Grunde genommen immer nur sich selbst. - ne! - Das hat der vor 500 Jahren gesagt. Das finde ich 'nen ganz schlauen Satz. Und das zeigt im Grunde genommen auch, wo da die Unterschiede sind. Also die Lebenden Bilder, die ich mache, die sehe ich -wie gesagt- mehr im Zusammenhang mit der bildenden Kunst, ja, also sprich mit Leonardo, als jetzt zB mit der aktuellen Berichterstattung im Fernsehen oder das große Illusionskino, wie man das so aus dem Kino kennt. Und, Ja!, insofern male ich mein Leben lang nur mich selbst. - Also... das ist Kunst, ja!, Kunst!


MB: Was ich ja liebe ist so die Eigenart am Medium. Und: Jedes Medium hat so seine spezifischen Eigenarten, also hat so ganz spezielle Potenzen. Und: Ob das 'nen Polaroid ist, die werden so'n bißchen blaß und milchig und Fotokopieren, das wird dann meist sehr knackig, also kontrastreich. - Also: Jedes Medium hat so seine speziellen Möglichkeiten und Eigenarten und da, also darum mag ich in vielen Medien arbeiten, weil alles hat sein Spezielles, Besonderes.


MB: Ja, also ich experimentiere gerne mit verschiedensten Techniken und Möglichkeiten, und versuche dann immer, das Adäquate oder beziehungsweise das diesem Medium Entsprechende -äh- herauszukitzeln. Und das dann mit den entsprechenden Bildern -sozusagen- zu bedienen.

MB: Also was ich jetzt gemacht hab ist zum Beispiel ein Film -ganz unabhängig- also 'Film' nenne ich ihn noch, aber es ist kein Film im klassischen Sinne, also er ist ganz im Computer entstanden, mehr oder weniger eine Animationsarbeit. Und da eignet sich zB flash ganz hervorragend für, mit flash kann man also auch jetzt unter den gegebenen Bedingungen im Netz, also sprich: man hat keine große Daten-Bandbreite, man kann also nur kleine Pakete senden, und mit flash ist das sehr gut möglich.

MB: Und dieses Projekt hab ich dann auch treffenderweise 'Kein Film' genannt. Und diesen Film 'Kein Film', den gibt es in zwei Versionen. Der eine ist halt flash übers Internet zu sehen, den kann sich jeder zuhause anschauen, und die andere Variante dieses Films ist auf 35mm, ganz klassisch und gedacht für die große Kinoleinwand. Und -ähm- Kein Film ist für mich im Moment, wenn also die große Kinoleinwand und das schmale Datennetz -also- zusammenfinden.

MaBe: {off} Danke Dir! Das war ein schöner Satz. - Okay.

MB: Irgendwie, irgendwie bin ich noch nicht so richtig in Redestimmung. Würd' ich sagen.

MaBe: {off} Naja, ist ja...

MB: Ich laber so rum.

MaBe: {off} ...ist ja ganz anständig. Aber: Wie sieht denn das im Netz aus? Dein Kein Film kannst Du den abrufen?

MB: Jaha. - Kann ich Euch offline zeigen, online zeigen. {Ton-Abblende}



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KEIN FILM | NO FILM   (Text deutsch)
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{arte-singsang} Und gleich:

TV-Ansagerin: {off} In seinem Loverfilm listet Michael Brynntrup seine Lover der 70er bis 80er Jahre auf. Eine persönliche Geschichte und gleichzeitig die der Schwulenbewegung in Deutschland.


MB: Ja, ich mach mir über mich selbst Gedanken und dann frag' ich mich natürlich: Ist das jetzt noch normal? Ist das normal? Und dann sag' ich mir aber auch: Ja, wer sagt denn, daß das normal ist, ja? Vielleicht ist das ja normal. Vielleicht ist es nicht normal und warum soll ich normal sein? Ne, also so.

TL: {off} Kannst du lieben?

MB: Ja, aber wenn gewisse Sachen nicht funktionieren, und man dann in Selbstzweifel sich ergeht, also dann -äh- dann kommt es natürlich... also mit 'nem Verlust oder mit 'nem Frusterlebnis ja, da kommt einem dieser Selbstzweifel natürlich ganz stark und dann fragt man sich auch: bin ich überhaupt fähig zu lieben? Zum Beispiel.


{Titel} Do you know what love is?

MB: ...da war ich irgendwie frei, da hab' ich mich gut gefühlt, das ist Nähe.

TL: Und das ist ein kostbares Gut offensichtlich.

MB: Oh ja. Für mich irgendwie das absolute Gut, find' ich.

TL: Nähe.

MB: Nähe. Wenn man das als Mensch erreicht mit jemandem oder vielleicht auch mit mehreren, also solche Momente zu erleben oder auch vielleicht dauerhaft, so'n Zustand, als Zustand Nähe zu erleben, dann ist das doch das glücklichste, was passieren kann - im Leben.

TL: Und warum?

MB: Also für mich, also, -äh- Warum? Weil ich.. ja... Gute Frage! Jetzt... jetzt. Das war eine irritierende Frage! Also da geht meine Sehnsucht hin. Ja, also da geht meine Sehnsucht hin. Ja.

TL: Wohin?

MB: Ja zu dieser Nähe. Zu dieser ausgelebten und fast besinnungslosen Nähe.



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LOVERFILM - eine unkontrollierte Freisetzung von Information   (Text deutsch)
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{06a}================================================================


MB:
oh -ähm- Das Fernsehen - kommt - jetzt gleich zu mir in die Wohnung, und macht zum ersten Mal einen TV-Bericht über mich für's Deutsche Fernsehen.
Ich -ähm- bin etwas -äh- nervös und aufgeregt
Aber eins ist klar:
Wenn die mich filmen, dann film' ich die auch!


{Titel} Der Filmemacher filmt das Fernsehen.

MB: Also HI8 ist ja sowas von überholt.

MaBe: Das ist eine HI8?

MB: Ja, dies ist eine HI8. - So altertümlich nachdem ich jetzt also DV kennengelernt hab. - Und so schlecht! (lach) Und was war ich glücklich mit der Kamera, als ich die neu hatte. - Echt.

MaBe: mmm.


{Titel} Das Fernsehen filmt den Filmemacher.

TV-Sprecher: Eine Kamera ist eine Kamera ist eine Kamera. Digital-Video, Fernseh-Kamera und Super8-Kamera. Der berliner Michael Brynntrup ist Experimentalfilmer, - seine ersten Filme entstanden alle...


{Titeleinblendung} Gefilmte Tagebuchblätter

{Titeleinblendung} Ende



TV-Moderator (RB): Stellen Sie sich vor, Sie haben sich prächtig amüsiert im Karneval, folgten einem Flirt sogar nach hause, verbrachten eine wunderschöne Nacht und die Person hat zum Schluß noch ein Foto gemacht oder die Videokamera eingestellt, und Sie haben nichts Böses dabei gedacht. - Einige Monate später sehen Sie sich wieder. Auf der Leinwand eines Filmfestivals als Lover eines Experimentalfilmers. - Der das macht der heißt Michael Brynntrup. Er kommt aus Münster in Westfalen, lebt jetzt in Berlin und nennt sein neuestes Experiment folgerichtig 'Loverfilm'. Das ist einen Teddy der Berliner Filmfestspiele wert, wenn die Jury zu- und nicht weggeguckt hat.


MB: "Sehr verehrtes Publikum! Sie sehen jetzt Ihren ersten Film
- vom Rest Ihres Lebens. Viel Vergnügen!"

{Titel-Motiv} HANDLUNGEN UND PERSONEN DIESES FILMS SIND FREI ERFUNDEN {off: dito}

{Titel-Motiv} JEDE ÄHNLICHKEIT (MIT EINER LEBENDEN ODER TOTEN PERSON IST REIN ZUFÄLLIG) {off: dito}
- und nicht beabsichtigt.

MB: "Selbst ich sehe eigentlich ganz anders aus. Danke."

{Titel-Motiv} DANKE

MB: "Ich heiße Michael Brynntrup und bin am siebenten zwoten neunzehnhundertneunundfünfzig geboren - worden."

{Titel-Motiv} GUTEN ABEND {off: dito}

MB: "Guten Abend"

{Titel-Motiv} RESTS UND TESTS AUS DER PROTOTYPENFORSCHUNG {off: dito}


MB: Also wie gesagt, ich bin nur das Beispiel. Also über mich wird quasi nur indirekt berichtet in dem Film.

TL: Du bist das Medium?

MB: Ja, ich bin das Medium.


TV-Sprecher (TL): Es geht um Datenverarbeitung und um Sex, um Persönlichkeitsschutz und ständig wechselnde Lover. Der 38jährige Filmemacher Michael Brynntrup hat seine Affären gezählt. Die Gesamtzahl verrät er nicht. Aber er zeigt Fotos und laufende Bilder von zu erinnernden Lieben, aus dem Tagebuch und aus der Videothek.

MB: Das ist mir ganz klar, daß das Fernsehen natürlich genau diese sensationsmäßigen Bilder rauspickt.

O-Filmton: "Auch der Zuschauer trägt die Verantwortung für die Bilder, die öffentlich werden.
Seien Sie sich bewußt, daß -wenn Sie den folgenden Film betrachten- Sie die Privatsphäre der abgebildeten Personen verletzen."

MB: Man muß schon sehen, daß solche Bilder in einem Zusammenhang von einem 20minütigem Film stehen, ja. Und mir ist es wirklich das Liebste, man zeigt diese Filme als Ganzes, ne. Ausschnitte lügen, ne.

MB {off}: Ausschnitte lügen

TV-Sprecher (TL): Wie darstellbar ist die Wirklichkeit? Welche Grenzen setzen Moral und Medien. Fragen mit denen sich Michael Brynntrup in all seinen Filmen auseinandersetzt. - Experimentierende Spiegelbilder eines narzißtischen Künstlers, der sich als Selbstdarsteller inszeniert. Für die anderen, die in ihm sich selbst erkennen sollen.

MB: So privat meine Filme oft auch erscheinen, es ist ja ein öffentliches Medium. Und die sind in die Öffentlichkeit gestellt und da gibt es die Reaktionen, die will ich ja auch provozieren zum Teil, also zumindest will ich ja die Auseinandersetzung anregen.


{Laufschrift} Diese 55. Interview-Minute sehen Sie jetzt schon zum 3. Mal. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, daß der hier gesprochene Text besonders wichtig ist.


O-Filmton: "Der Lebenslauf!"

TL: {off} Deine persönliche Geschichte die wird gerne thematisiert, - deine Person.

MB: Klar, also, ich verstehe ja Filmemachen eigentlich auch mehr als, wie soll ich sagen, als Teil der bildenden Kunst. Also im Gegensatz zum großen Kino, wo mit Illusionen gearbeitet wird, geht es mir eigentlich um eine, so eine künstlerische Authentizität...

MB: {off} Und darum geht's natürlich in solchen künstlerischen Filmen immer eigentlich um den Filmemacher selbst, um den Künstler hinter der Kamera.

O-Filmton (MB): "Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen nun gute Unterhaltung mit dem Film-Programm Ihrer Wahl."

TV-Sprecher (TL): Ob Kostümfilm oder Videoclip, Michael Brynntrup geht es in seinen über 50 Filmen immer auch um die Kraft der Bilder, im Erfassen, Festhalten. Er hat mit Weltstars gedreht wie Udo Kier zum Beispiel.

O-Filmton: "Entschuldigung - Guten Tag!"

{Titel} Der Fotograf Jürgen Baldiga {Ausschnitt aus Aide Mémoire}

TV-Sprecher (TL): Michael Brynntrup geht es immer wieder um Grenzen und Tabus. Dabei ist ihm keine Frage zu doof.

O-Filmton (MB): "Ach was ich noch fragen wollte, -äh- erzähl mir doch mal Deinen ersten Orgasmus."

MB: Ich will mit diesen Filmen gar nicht provozieren. Sondern ich will eindeutig (lach) nur Realität, die selbstverständlich ist, die für mich selbstverständlich ist, wiedergeben.

O-Filmton (MB): "Juni 85 - Seit Alf nicht mehr hier wohnt kann ich über ein abwechslungsreiches Sexualleben nicht klagen.

Alle aufzulisten ist mir zu blöd, obwohl es der Übersicht wegen schon nützlich wäre."

MB: Wenn ich in mir irgendwie etwas entdecke, wodrüber ich ungern rede und so, dann versuch ich eine Form zu finden, mich dieser Grenze zu nähern.

MB {off}: Ausschnitte lügen!


TV-Moderator (RB): Ausschnitte lügen, wie im Fernsehen so auch im richtigen Leben.

TV-Moderator (RB): {off} Das wars schon wieder. Schönen Dank fürs Zuschauen... {Ton-Abblende}


{Titel} Sie sahen soeben den ersten Fernsehbericht über den Filmemacher.

TL: {off} Du bist das Medium? Das Medium für was?

MB: Das Medium, was den Zuschauer, jetzt nicht als Massenpublikum sondern jeden individuellen Zuschauer, irgendwie verknüpft, verbindet mit ja: sehr sehr allgemeinen Inhalten. - Nicht mit meiner konkreten Wirklichkeit, sondern mit einer allgemeinen Wahrheit. Also das versuch' ich zumindest.


{06b}================================================================


{Titel} (nochmal von vorn)
{Titel} Selbstportrait mit Kronleuchter

TTV-Reporterin: {off} Los! Halt' drauf, mitten drauf auf's Gesicht! Ich will alles, alles! - Fakten, Bilder! - Los! Halt' drauf! Halt' drauf! - Versau' mir nicht die Bilder! Schön nah rauf!

OP-Schwester: Vorsicht! - Halt, für Sie ist hier Schluß. Bitte keine Fotos, keine Bilder. - (Halt nein. Keine Fotos) Tut mir leid! - Halt, tut mir leid!


{Titeleinblendung} Immanuel-Kant-Krankenhaus, / Berlin-Neukölln, fünf vor zwölf

Krankenpfleger: {off} und rüberheben!

Arzt: {off} ähm - Können Sie mich hören? - Anästhesisten anrufen! - Wie ist der Druck?

Krankenpfleger: {off} 80 zu 40, - stark abfallend!

Arzt: Wir brauchen nachher gleich 'n CT. - Die Neurochirurgen bitte anrufen. - Und nochmal den Druck messen. - Der Druck nochmal bitte.

Krankenpfleger: {off} 60 zu 40, - fällt weiter!

OP-Schwester: {off} Intubation?

Arzt: {off} Hat glaub ich gar keinen Sinn. - Wir machen 'ne Sektio. - Und bitte einmal Suprarenin aufziehen! Gleich eine Ampulle spritzen. Und Ventanyl für die Narkose.

OP-Schwester: Okay.

Arzt: {off} Und -sag'mal- haben sich die Neurochirurgen eigentlich schon gemeldet?

OP-Schwester: {off} Nein, haben sie noch nicht.

OP-Schwester: {off} Dormicum, 5 auf 10 ml.

OP-Schwester: So, Sie werden gleich einschlafen, - stellen Sie sich ein schönes Bild vor. Vielleicht ein Gemälde, oder ein Blumenstrauß, oder eine schöne Landschaft. Oder denken Sie an einen schönen Film. - Sie werden sehen: so dramatisch ist das gar nicht. - So. - Jetzt zählen Sie ganz langsam bis zehn.


{Titel} E.K.G. EXPOSITUS
{Titel} das Selbstportrait eines Filmemachers in öffentlichen und künstlerischen Medien

{Titel} Sie sahen einen Film von und mit, - und über den Filmemacher selbst.
{Titel} Allgemeinere Informationen zu Film und Fernsehen entnehmen Sie bitte den nachfolgenden Programmen.

{Titel} ENDE DES FILMS
{Titeleinblendung} www.endedesfilms.de




Abkürzungen:

CH = Claus Hanischdörfer
FM = Friedrich Moll
JB = Jürgen Baldiga
MaBe = Manfred Behrens
MB = Michael Brynntrup
KE = Knut Elstermann
RB = Rolf Bringmann
TL = Tim Lienhardt
TVT = TV-Team